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Tongue-in-cheek / s24

Tongue-in-cheek / s24

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setup 24
tongue–in–cheek 

Intervention
with wooden board, wire, metal sheet, cyanotype on fabric
in public space / Vienna
2021

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Leni spaziert mit ihrem Boy Roman durch den ersten Bezirk. Mit einem Latte-to-go ausgestattet, peilen die beiden nun den Spar an der Ecke an, um sich mit ein paar Snacks einzudecken. Danach geht es weiter in den Resselpark, wo die Jause chillig eingenommen werden soll.

 

Unterwegs erzählt Leni leicht angeregt von ihrer Kollegin auf der Arbeit, die nun wie sie begonnen hat, einen Lindy Hop-Tanzkurs zu besuchen. Sie weiss nicht so recht, ob sie sich als Vorbild fühlen soll, oder ihre Kollegin einfach eine Trittbrettfahrerin ist, die über zu wenig Style verfügt. Roman hört aufmerksam zu. Schon in frühen Jahren, daran kann er sich noch bestens erinnern, wurde ihm von seiner Lieblingstante gesagt, dass er ein guter Zuhörer sei. So weiss er, dass gutes Zuhören bedingt, die Leute einfach reden zu lassen, dabei nett zu lächeln und wichtig, zustimmend zu nicken. In der Zwischenzeit versucht er sich vorzustellen, was mögliche Konsequenzen seiner Reaktion sein könnten.

Während des Gesprächs überqueren die beiden die Kreuzung, wo die Mahlerstrasse über die Schwarzenbergstrasse zur Hegelgasse wird. Im beinahe autofreien, doch vor Taxis und anderen Touristengefährten nur so wimmelnden ersten Bezirk Wiens bedingt dies schon die volle, wenn auch unterbewusst automatisierte Aufmerksamkeit. Zum Glück gibt es an der Stelle eine Insel auf der Fahrbahn. Zusammen mit einigen hundert Fussgänger-Schildern und ebenso vielen Pfosten bietet sich ausreichend Schutz, um Aussenraum, Gesprächsinhalt und Autohauben voneinander zu trennen.

So gelingt die Überquerung ohne Probleme. Kurz bevor die beiden das andere Ufer erreicht haben, bemerkt Roman in seiner periphären Wahrnehmung einen leicht abweichenden Grauton vor ihm, in Form eines Balkens auf dem Gehsteig. Da er gerade dabei ist, sich Lenis Kollegin lindy-hoppend vorzustellen, geht er gedanklich nicht weiter auf diese Anomalie ein. Das sich präsentierende Hindernis wirkt dazu auch nicht umständlich genug, es ist nur ein paar Zentimeter hoch, und scheint weder rutschig, scharfkantig noch sonst irgendwie bedrohlich. So tritt er unbedächtig auf das Brett, das sich ungewohnt elastisch anfühlt, und sich seinem Gewicht sofort beugt. Nun geht alles ganz schnell – hu – da war etwas am Boden, ein Geräusch, schon rollt ein Vorhang zwischen den Verkehrsschildern hinaus, wie eine zappelnde Zunge, und offenbart sich im Wind.

Sowohl Leni als auch Roman sind überrascht. Sie halten rasch inne, um den Zusammenhang zwischen dem Betreten und dem hängenden Banner nachzuvollziehen. Das Textil weist eine blaue, abstrakte Zeichnung auf weissem Grund auf. Da sich die Formen und Linien nicht im allerersten Moment zu erkennen geben, ist die Musterung schnell abgetan. Kurzes Lächeln. Am einfachsten ist es, erstmal weiterzugehen, all das verarbeiten kann man immer noch später. Die Wegstrecke zwischen Kaffeehaus und Supermarkt wurde, wie der Gesprächsfluss und die Kontinuität des Alltags, für einen kurzen Moment unterbrochen. Die Auswirkungen, und so gesehen der Wert dieses Moments, bleiben unbestimmt – was ihnen bleibt, bleibt bei ihnen.

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English version

​​Leni walks through the first district with her boy Roman. Equipped with a latte-to-go, the pair head for the Spar on the corner to stock up on a few snacks. Then it's on to Resselpark, where they have a relaxed snack.

On the way, Leni talks animatedly about her colleague at work who, like her, has now started attending a Lindy Hop dance class. She doesn't quite know whether she should feel like a role model or whether her colleague is simply a free rider who doesn't have enough style. Roman listens attentively. He remembers his favorite aunt telling him at an early age that he was a good listener. So he knows that listening well means simply letting people talk, smiling nicely and, importantly, nodding in agreement. In the meantime, he tries to imagine what the possible consequences of his reaction might be.

During the conversation, the two cross the intersection where Mahlerstrasse becomes Hegelgasse via Schwarzenberg-Strasse. In the almost car-free first district of Vienna, which is teeming with cabs and other tourists, this requires full, albeit fully automated, attention. Fortunately, there is an island on the road at this point. Together with several hundred pedestrian signs and just as many posts, it offers sufficient protection to separate the outside space, the content of the conversation and the car hoods from each other.

They make the crossing without any problems. Shortly before they reach the other side, Roman notices in his peripheral vision a slightly different shade of gray in front of him, in the form of a bar on the sidewalk. As he is in the process of imagining Leni's colleague lindy-hopping, he does not dwell on this anomaly. The obstacle that presents itself doesn't seem awkward enough: it's only a few centimetres above ground and neither seems slippery, sharp-edged or threatening in any other way. So he steps onto the board without a care. It feels unusually elastic and immediately bends under his weight. Now everything happens quickly - hu - there was something on the ground, a noise, and a curtain rolls out between the traffic signs, like a floundering tongue, it reveals itself in the wind.

Both Leni and Roman are surprised. They pause to understand the connection between stepping on the sidewalk and the hanging banner. The textile shows a blue, abstract drawing on a white background. As the shapes and lines are not immediately recognizable, the pattern is quickly dismissed. A brief smile. It's easiest to move on for now, you can always process everything later in your life. The route between the coffee house and the supermarket has been interrupted for a brief moment, just like the flow of conversation, or the continuity of the everyday. The effects, and thus the value of this moment, remain undetermined. What stays with them, stays with them.

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